Biografie — Teil 1
1889 — 1935
Theo als Kind
Theo Prosel wurde am 4. Mai 1889 in Wien als jüngster von drei Geschwistern geboren. Sein Vater Karl war Vertreter für Lokomotiven, starb aber als Theo erst 10 Jahre alt war. Nachdem er das Klostergymnasium in Kremsmünster und die Wiener Handelsakademie besucht hatte, arbeitete er, der Familientradition folgend, als kaufmännischer Angestellter in einer Zuckerfabrik. Die Buchhalterei und das Büroleben lagen ihm gar nicht. Später im Simpl sagte er immer wieder von der Bühne herab: “Die Buachhaltung is heit’ no net in Ordnung.” Viel lieber hielt er sich in den Wiener Kaffeehäusern auf und las Zeitung.
Als im Jahre 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde er einberufen. Er folgte dem Ruf, wenn auch nicht gerne, so doch weil er musste. Als Fähnrich bei den Deutschmeistern geriet er 1915 im russischen Tomsk in Kriegsgefangenschaft. Über seine Gefangennahme berichtet Prosel in einem kleinen Heft, das er anlässlich seines 60. Geburtstags herausgab: “Ich durchbrach die russische Front mit einem derartigen Elan, dass ich vor Sibirien nicht zum stehen kam.”
Die Versorgung im Lager war großartig. Oft sagte Prosel in späteren Jahren: “Ich wünsch’ mir nochmal drei sorglose Jahre in Sibirien.” Nie wieder in seinem Leben hatte er so viele Gänse gegessen. Um sich die Zeit zu vertreiben, trieben die Soldaten Sport, gründeten einen Gesangverein, und malten. Es wurde auch viel Theater gespielt. Als Prosel das Buch “Wilde Sachen” von Rideamus zur Begutachtung für eine Aufführung in die Hände bekam, meinte er nur: “Solche Verse schreib’ ich immer noch am Häusl.” Es entstand eine Wette, und Prosel zog sich mit Papier und Bleistift auf das gewisse Örtchen zurück. Nach einer Stunde kam er heraus und schwenkte ein voll geschriebenes Blatt Papier in der Hand. Darauf stand sein erstes Gedicht: “Die roten Hosenstreifen”. Alle waren begeistert und es war nicht das letzte Mal, dass ihn die Muse gerade an diesem Ort geküsst hat.
In der Gefangenschaft schrieb er noch viele weitere meist kriegsgegnerische Gedichte und veranstaltete bunte Abende.
Nach drei Jahren wurde er in die Heimat entlassen. Prosel berichtet darüber: “Mit dreihundert Gedichten, die ich im Kopf über die russische Grenze schmuggelte, landete ich 1918 wieder in Wien. Der Krieg war aus und ich wieder ein schäbiger Zivilist, der irgendwie trachten musste, sein Brot zu verdienen. Der Vortrag meiner Gedichte bei irgendeiner Veranstaltung hatte einen guten Erfolg, so dass ich sicherer wurde.”
Als Rezitator seiner Gedichte kam er 1920 erstmals nach München und trat bei Karl Valentin im “Charivari” auf. War Valentin Prosels erster Direktor, so war Prosel Valentins letzter vor dessen Tod am Rosenmontag 1948. Gäste machten die Simplwirtin Kathi Kobus auf Theo Prosel aufmerksam.
Am 1. Juni 1920 stand Theo Prosel also zum ersten Mal auf der Bühne der Künstlerkneipe “Simplizissimus” und war vom ersten Augenblick an unheilbar mit dem Simpl-Gift infiziert. Oft sagte er: “Mei, den Laden, den möcht’ ich amal hab’n!”
Kathi Kobus
Julia Prosel
1921 heiratete Theo Prosel die Wiener Opernsängerin Julia Prosel, die am 1. August 1921 ihre erste Tochter Theodora zur Welt brachte.
Die Familie lebte damals in Meran, wo Prosels elf Jahre ältere Schwester Anna im “Bergschlössel” ein Institut für junge Mädchen hatte. Julia gastierte am Stadttheater und Theo eröffnete den Sommer über ein Ausflugscafé in einem alten Schloss am Josefsberg oberhalb von Algund. Die Meraner kamen gerne zu Kaffee und Gugelhupf den Berg herauf — nicht zuletzt auch wegen dem Wirt, mit dem man soviel lachen konnte.
Einige Monate später mussten Theo und Julia wieder zu einem Engagement nach Linz an der Donau, wo dann am 21. Oktober 1922 ihre zweite Tochter, Gertrude, zur Welt kam. Da sie ständig unterwegs waren, gaben sie ihre Kinder in Anna Prosels Obhut.
Später gingen Julia und Theo zurück nach Wien, wo am 29. August 1924 ihre jüngste Tochter Therese geboren wurde, die sie ebenfalls zu ihren Geschwistern und Anna Prosel brachten.
Diese war, nachdem sie ihr Institut in ein Erholungsheim für Berliner Wohlfahrtskinder umfunktioniert hatte, ins malerische Schlösschen Rainegg oberhalb des Eisack nahe Brixen gezogen. Für die Kinder war es das Paradies auf Erden.
Theo bekam eine Stelle als Leiter der Zeitung “Wiener Hausfrau” und begründete die lange Zeit sehr beliebten “Wiener-Hausfrauen-Nachmittage”. Später gab er die Monatszeitschrift “Die Geißel” heraus, die er selbst in den Wiener Cafés verkaufte. Nachdem Theo einige Zeit in Berlin und Paris verbracht hatte, ging er zurück nach Brixen, wo er seiner Schwester alle geschäftlichen Arbeiten abnahm.
Julia Prosel sang beim Bozener Sender und war Gesangsmeisterin an der Musikschule.
Schloss Rainegg
Theo mit seinen Töchtern
Als in Deutschland die Wirtschaftskrise einsetzte, schickte man keine Kinder mehr zur Erholung und Anna Prosel machte Konkurs. Die Familie verließ am 31. Dezember 1932 samt Theos Schwester und Mutter Südtirol. Prosel wollte eigentlich nach Berlin, aber das Fahrgeld reichte für die große Familie nur bis München.
Sein Freund, der Conférencier Karl Peukert, half der Familie, in München Fuß zu fassen. Die erste Zeit in München war furchtbar schwer. Theo arbeitete als Conférencier im Simpl und schrieb Conférencen für Karl Peukert und Adolf Gondrell, Julia sang im Zentralpalast, im Annast und im Bayerischen Rundfunk.
Die “Familienkutsche”
Mit ihren Gagen und dem kleinen Einkommen, das sich Anna Prosel mit Nachhilfeunterricht und hübschen Bastelarbeiten verdiente, war es schwer, die siebenköpfige Familie durchzubringen.
Adolf Gondrell hatte erkannt, dass sein Erfolg nicht zuletzt auch durch Prosels Conférencen zustande gekommen war und dankte es ihm mit dem wohl größten Geschenk, das man ihm hätte machen können: Er kaufte den Simpl und setzte Theo als Pächter ein.