Dichtender Simplwirt, Münchner Kabarettlegende

4. Mai 1889 - 13. Januar 1955

Theo als Goethe (c) privat

Weltgeschichte

von Theo Prosel

Greift nur hinein in die Weltge­schichte,
wo ihr sie aufschlagt, ist sie penetrant.
Mein Herr, erinnern Sie sich nicht
des Kains, der den Abel erschlug,
weil er die Konkur­renz
vor dem lieben Gott nicht vertrug?

Und wie Kasperl noch heut’ im Kinder­theater,
dachte nicht lang nach der Mörder-Urvater,
nahm eine Keule und machte bumm-bumm,
der Abel, er fiel mausetot um.
Dem Kain wurde zwar nicht verziehen,
doch das erste Abzei­chen gratis verliehen.

Später ist die Geschichte kompli­zierter geworden.
Man betrieb mit Raffi­nesse das Töten und Morden.
Und war Kain noch allein, so gab’s mit den Jahren
die Kains in stramm geord­neten Scharen.
Und machten die Kasperle wieder bumm-bumm
und erschlugen die Enkel, die Söhne, den Vater.

So saßen die Menschen gaffend herum,
wie eben Kinder im Kasperl-Theater
und patschten zum eigenen schäbigen Ende
beinah’ vergnügt in die schmut­zigen Hände.

Man hat auf Teufel komm raus applau­diert,
das Kasperl-Theater ward heroi­siert,
und ernste Männer mit Bärten und Brillen
suchten den Forschungs­durst sich zu stillen,
und begannen alles getreu zu notieren
und farben­prächtig zu illus­trieren,
auf dass sie denen, die später leben,
mit Helden­phrasen die Hirne verkleben
und jene bei nächsten Gelegen­heiten
aufs Neue zum Kasperl-Theater verleiten.

Und diese Kasperl-Theater-Berichte –
sehen Sie, mein Freund, das ist
W e l t g e s c h i c h t e !!

 

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