Dichtender Simplwirt, Münchner Kabarettlegende

4. Mai 1889 - 13. Januar 1955

Theo als Dichter (c) Resi Prosel Nachf.

© Zeich­nung von Resi Prosel

Bartologische Lyrik

von Theo Prosel

Wie ein Stern­schnuppe vom Himmel fällt,
So kommt der Witz in die schöne Welt,
Man weiss nicht, wo seine Wiege stand,
Manchmal hat er nicht eimal ein Vater­land,
Doch er ist da – und ist er stark und gesund,
Dann hüpft er freudig von Mund zu Mund
Und kommt er zu jenen, die das Witze­schreiben,
Sagen wir, als Gewerbe betreiben,
Dann wird er freudig adoptiert
Und der ganzen Welt als  O r i g i n a l  vorgeführt.

So kommt er zu dem Confé­ren­cier,
Zu dessen ehren­wertem Metier
Es gehört, einen Witz populär zu machen
Und im Augen­blick, wo die Leute dann lachen,
Dann kann man wetten, dass auf der ganzen Welt
Ein jeder Confé­ren­cier ihn täglich erzählt,
Ein jeder natür­lich nach eigener Art,
Zum Schluss hat der Witz – so einen Bart!
Und geht er auf Krücken und humpelt er schon schwer,
Solang die Leut lachen, gibt ihn doch keiner her!

Denn gerade die Witze, die man oft schon gehört,
Sind die, die allseitig am meisten begehrt,
Denn was sind denn die Lacher am Cabaret?
Die Lacher sind: die Valuta des Confé­ren­cier.
Nach Lachern wird bekannt­lich die Gage taxiert,
Die von der Direk­tion bewil­ligt wird.
Für den Lacher verdient mann 100 Mark in der Schicht
Verdient man, doch man bekommt sie nicht!
Weil der Direktor gerade am Kostbarsten spart
Und sehen Sie, auch dieser Witz hat sooo einen Bart!

Aus “Simpl-Briefe” – Ausgabe Mai 1936
Heraus­geber: Theodor Prosel

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